Plötzlich zu dritt: So kommen Väter klar

Plötzlich zu dritt: So kommen Väter klar

30. August 2019 0 Von Redaktion

Neun Monate Zeit, sich auf ein Baby einzustellen – und doch erwischt Väter die neue Situation nach der Geburt oft kalt. Denn wer rechnet schon wirklich mit diesem Ausnahmezustand, der dann herrscht? Schlaflose Nächte reihen sich aneinander. Ausgerechnet jetzt will der Chef ein Projekt starten, das vollen Einsatz verlangt. Die Abende mit den Kumpels oder beim Sport sind auf unbestimmte Zeit gestrichen. Das Liebesleben ist dahin, die Frau oft gereizt – manchmal gar nicht wiederzuerkennen. Und das Baby? Lässt sich nur in Mamas Armen beruhigen. Das kann Väter ganz schön frustrieren. Für viele erscheint da der Rückzug ins Büro verlockend. Doch Kinder brauchen ihren Papa, und zwar von Anfang an: Wissenschaftler haben sogar herausgefunden, dass Kinder mit sicherer Bindung zum Vater später seltener an psychischen Krankheiten leiden. Wir geben Tipps, wie Väter in den ersten Lebenswochen des Babys am besten in ihre neue Rolle finden.

Gut vorbereiten

„Ein Baby bedeutet eine Riesen-Umstellung“, sagt Dr. Fabienne Becker-Stoll, Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik in München. „Paare sollten sich schon vor der Geburt so gut wie möglich auf die erste Zeit mit dem Baby vorbereiten.“ Nach dem anstrengenden Ereignis ist die Mutter geschwächt und muss oft ein paar Tage oder länger im Bett bleiben. Sie braucht ihre ganze Kraft für das Neugeborene, das viel Zuwendung benötigt. Da muss klar sein, wer einkauft, sich um das Essen kümmert und die Windeln besorgt. „Das könnte der Vater übernehmen“, sagt Becker-Stoll. „Am besten, das Paar schreibt vor der Geburt alles, was zu tun ist, genau auf und klebt den Zettel zum Beispiel an den Kühlschrank.“ Ideal ist es, wenn sich der Vater nach der Geburt für einige Zeit Urlaub nimmt, um die wichtigsten Dinge zu erledigen und Zeit mit Mutter und Kind zu verbringen.

Emotional unterstützen

Vielen Frauen schlagen die Hormone in den Tagen nach der Geburt etwas auf die Stimmung – sie bekommen den sogenannten Baby-Blues. Deshalb ist der Vater auch emotional gefordert: „Er sollte in den ersten Wochen generell dafür sorgen, dass es der Mutter gut geht“, sagt Becker-Stoll. „Dazu gehört vor allem auch, ihr Zuspruch, Lob und liebevolle Zuwendung zu spenden.“ Denn dem Kind gehe es nur gut, wenn sich auch die Mutter wohlfühlt. „Umsorgt sie der Vater in dieser Zeit intensiv, wird sie gerührt und dankbar sein“, so die Psychologin. Streitet das Elternpaar viel, belastet das nicht nur die eigene Beziehung, sondern auch das Kind stark. Geht es der Mutter über längere Zeit schlecht, kann eine Wochenbettdepression dahinter stecken, die unbedingt ärztlich behandelt werden muss. Doch auch Väter sollten ein anhaltendes Stimmungstief nach der Geburt nicht abtun: Sie können ebenfalls von einer sogenannten postnatalen Depression betroffen sein. Sie tritt meist später auf als bei der Mutter, zwischen drei und sechs Monate nach der Geburt, und geht zum Beispiel oft mit Antriebslosigkeit einher.

Aufgaben übernehmen

Das macht der Papa! „Damit Vater und Kind sich aneinander gewöhnen, ist es wichtig, dass er feste Aufgaben in der Babypflege übernimmt,“, sagt Becker-Stoll. „Die Mutter sollte da auch nicht hineinfunken.“ So kann der Papa das Baby zum Beispiel jeden Abend waschen und zu Bett bringen. Auch, wenn die Mutter nachts stillt, kann er das Kind zum Beispiel anschließend wickeln, was anfangs nötig ist. „Das Paar sollte die Aufgabenverteilung am besten immer wieder besprechen und gegebenenfalls anpassen“, sagt Becker-Stoll. Hat der Vater einen wichtigen Geschäftstermin, ist nachvollziehbar, dass er in der Nacht zuvor beispielsweise Ruhe braucht. Dafür bietet es sich aber an, dass er am Wochenende so weit wie möglich die nächtliche Betreuung übernimmt. Hat sich die Lage nach einiger Zeit etwas entspannt, kann er vielleicht sogar mal wieder einen Abend mit den Kumpels einschieben – und die Mama in den paar Stunden zwischen zwei Stillmahlzeiten mit der besten Freundin Kaffee trinken gehen.

Im Job funktionieren

Auf viele Papas wartet jedoch nicht nur zu Hause eine lange To-do-Liste – auch im Job sind sie stärker gefordert. Häufig fühlen sie sich unter dem Druck, ab jetzt der alleinige Versorger der Familie zu sein. „Statistisch gesehen arbeiten Väter mit jedem Kind, das dazukommt, mehr“, sagt Becker-Stoll. Deshalb ist es hilfreich, wenn das Paar seine finanzielle Situation vor der Geburt ausführlich bespricht und nach Möglichkeiten sucht, wie auch der Vater genügend Zeit für die Familie aufbringen kann. Immer mehr Arbeitgeber kommen Vätern in diesem Punkt entgegen. „Ideal ist es, wenn sich Vater und Mutter die Elternzeit teilen – die Mama bleibt das erste halbe Jahr zu Hause, der Papa das zweite“, sagt Becker-Stoll. „Davon profitiert die ganze Familie.“

Papa-Zeit einplanen

Je nach Rollenverteilung der Eltern beginnt das Kleine spätestens ab dem achten Monat, die Bindung zum Vater verstärkt aufzubauen. „Vorher lässt es sich meist lieber von der Mutter trösten, aber ab diesem Zeitpunkt freut es sich unbändig, wenn der Papa nach Hause kommt“, sagt Becker-Stoll. „Es spielt dann am liebsten mit ihm.“ Denn während die Mutter bei klassischer Rollenverteilung für das Kind eher die Quelle von Trost und Sicherheit ist, die aufpasst, dass ihm nichts passiert, ist der Vater seine Brücke zur Welt: Er fordert und bestärkt das Kleine, Neues auszuprobieren. Gleichzeitig gibt er ihm die Sicherheit, da zu sein, falls doch etwas schief gehen sollte. So bekommt das Kind Selbstvertrauen und den Mut, sich auf neue Situationen einzulassen. „Das schaffst du schon, probier es doch mal aus“, sind typische Vater-Sätze. „Dieser Rückenwind bestärkt das Kind bis ins frühe Erwachsenenalter hinein“, sagt Becker-Stoll. „Ist der Vater ganz oder teilweise abwesend, können Selbstbewusstsein und Entdeckerdrang beim Kind weniger stark ausgeprägt sein.“

Für den Notfall gerüstet sein

Und was, wenn wir es nicht schaffen? Manchen Paaren wird die Belastung – ob finanziell oder emotional – in der ersten Zeit nach der Geburt trotz allem zu groß. Deshalb sollten sich werdende Eltern am besten vor der Geburt informieren, wo sie entsprechende Hilfen bekommen. Sind keine Verwandten oder Freunde in der Nähe, bietet eventuell die Kommune Unterstützung an, zum Beispiel in Form von ehrenamtlichen Diensten. Außerdem gibt es viele verschiedene Geldleistungen für Familien – öffentliche Einrichtungen wie Schwangerenberatungsstellen informieren dazu. Herrscht Ebbe in der Kasse, können sich Eltern statt Spielzeug zur Geburt auch Gutscheine für Wäscherei, Haushaltshilfe oder – etwas später – den Babysitter wünschen. „Die Forscher sind sich einig: Man braucht viele Helfer am Nest“, sagt Becker-Stoll. „Eltern sollten offen mit Problemen umgehen und sich nicht schämen, jede Hilfe in Anspruch zu nehmen.“